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Winston Churchill und die Schweiz

Vom Monte Rosa zum Triumphzug durch Zürich:

Am 19. September 1946 hielt Winston Churchill an der Universität Zürich seine berühmte Rede «Let Europe Arise». Darin entwickelte der Kriegspremier die Idee eines vereinten und befriedeten Europas. Weshalb Sir Winston gerade Zürich als Bühne für seine politische Vision wählte und in welcher Beziehung er zur Schweiz stand, beleuchtet das Buch von Werner Vogt «Winston Churchill und die Schweiz» auch anhand rarer Fotografien.

Winston Churchill lernte die Schweiz als junger Mann kennen, schätzen und lieben. Kaum erwachsen, bestieg er den Monte Rosa, bewunderte die Schönheit der Berner und Walliser Alpen und ertrank beinahe im Genfersee. Als Minister in acht verschiedenen Portfolios, aber auch als Premierminister (1940–1945, 1951–1955) war die Schweiz für ihn ein Thema unter vielen. Und doch hatte er ein profundes Verständnis für deren Situation als neutraler Staat inmitten von Nationalsozialismus und Faschismus und den zugehörigen Respekt. Er schätzte seinen Schweizer Mallehrer Charles Montag, den Schweizer Farbenlieferanten Willy Sax und seine Schweizer Köchinnen und Dienstmädchen. Churchill hat durch seine Beharrlichkeit und seine Vision England, Europa und auch die Schweiz 1940 gerettet. Genau deshalb war sein Besuch in Zürich 1946 ein Triumphzug. Werner Vogt vereinigt historischen Sachverstand und Handwerkskunst mit journalistischem Instinkt und kann sich dabei auf neue Schweizer Zeitzeugen berufen.

Winston Churchill Zürcherrede:

Als Oppositionsführer hielt Winston Churchill im Jahr 1946 zwei Reden, die in die Geschichte eingingen. In Fulton, Missouri, warnte der britische Kriegspremier eindringlich vor dem sowjetischen Expansionismus in Osteuropa und prägte dafür den Begriff des «Eisernen Vorhangs», der über den osteuropäischen Staaten niedergegangen sei. In Zürich befasste sich Churchill mit der Zukunft Europas, diesem geschundenen und kriegsversehrten Kontinent. Damit sich ein solches Drama nie mehr wiederhole, plädierte Churchill für «eine Art von vereinigten Staaten von Europa». Als Kernstück davon sah er die Versöhnung zwischen Deutschland und Frankreich. In dem Zeitpunkt, in dem er die berühmte Let-Europe-Arise-Rede in Zürich hielt, am 19. September 1946, war übrigens Frankreich für diesen Gedanken noch nicht bereit. Zu präsent waren noch die von den Nazis begangenen Kriegsgräuel. Umso mehr muss man Churchill als einen visionären politischen Denker würdigen. Interessanterweise sagte Churchill damals, dass Grossbritannien nicht Teil dieser vereinigten Staaten von Europa sein werde, dem Projekt aber als Pate helfend zur Seite stehen werde. Angesicht des kürzlich erfolgten Brexit-Entscheids der britischen Bevölkerung erhält die Zürcher Rede Winston Churchills neue Aktualität.

Winston Churchill Fasziniert:

Winston Churchill hat mit seinem unbeugsamen Widerstand gegen Hitlerdeutschland im Sommer 1940 Europa vor dem Untergang bewahrt. Der Sieg Grossbritanniens in der Battle of Britain, der Luftschlacht um England, war von entscheidender Bedeutung für die spätere Rückeroberung Westeuropas durch die Alliierten. Er war somit ein Staatsmann, dessen Leben geschichtsprägend war. Grossbritannien, Europa und speziell auch die Schweiz haben Churchill viel zu verdanken. Und insofern ist auch klar, weshalb die Schweiz und namentlich die Bevölkerung von Stadt und Kanton Zürich Churchill im September 1946 einen triumphalen Empfang bereiteten.

Auch fast 60 Jahre nach seinem Tod ist Churchill sehr präsent in Presse, in der Forschung aber auch im Bewusstsein zahlreicher interessierter Zeitgenossen. Oft geben Interviewpartner an, sie würden gerne mit dem britischen Kriegspremier zu Abend essen, wenn dies möglich wäre. Der Mann mit der omnipräsenten Havanna-Zigarre und seinem V-for-Victory-Markenzeichen scheint zeitlos geworden zu sein.

Winston Spencer Churchill (1874-1965) ist, wie man auf Englisch sagt, «larger than life». Er war während 60 Jahren Mitglied des Unterhauses im Parlament, diente während 25 Jahren als Minister in acht verschiedenen Ministerien und war zweimal Premierminister (1940-45 und 1951-55). Daneben verfasste er mehr Bücher als William Shakespeare und Charles Dickens zusammen. Für sein historisches Lebenswerk bekam Churchill den Literatur-Nobelpreis. Als Zeitvertreib malte er überdies mehr als 600 Ölbilder.

Die Beschäftigung mit dem unglaublich schlagfertigen und auch etwas schrulligen Briten ist im Übrigen nicht nur spannend, sondern auch unterhaltsam: In Hunderten von Anekdoten lebt sein messerscharfer Humor, mit dem er Freund und Feind eindeckte, bis heute weiter.

Winston Churchill Gedenken: 

Weshalb pflegen wir das Gedenken an Churchill? – Dafür gibt es mehrere Gründe. Menschen, die Grosses geleistet haben, verdienen es, dass man sie nicht vergisst und dass man ihrer gedenkt. Winston Churchill hat die beiden Weltkriege als Minister bzw. als Premierminister an zentraler Stelle miterlebt, mitgeprägt und Wesentliches zum Sieg der Alliierten beigetragen. Zweimal wurde die Blüte der europäischen Jugend auf den Schlachtfeldern geopfert. Deshalb setzte Churchill alles daran, dass nach dem Zweiten Weltkrieg eine funktionierende Nachkriegsordnung für Europa gefunden werden konnte.

In der europapolitischen Diskussion wird oft vergessen, dass der Westen unseres Kontinents noch nie in der Geschichte eine so lange kriegsfreie Zeit genossen hat wie heute. 71 Jahre sind es inzwischen. Der Zerfall Jugoslawiens und der nachfolgende Bürgerkrieg vor über 20 Jahren ebenso wie der heutige Konflikt in der Ostukraine und die russische Annexion der Krim bewiesen bzw. beweisen auf dramatische Weise, dass Frieden keine Selbstverständlichkeit ist.

Was ist unsere Motivation für die nichtkommerzielle Organisation dieser Veranstaltungsreihe «Churchill in Zürich»? – Ohne Churchills entschiedener Kampf gegen Hitler ab dem Jahr 1940 wäre ein Einmarsch Hitlerdeutschlands in der Schweiz sehr viel wahrscheinlicher geworden. Wir sind überzeugt, dass unsere Eltern in diesem Fall nicht überlebt hätten. Insofern sind wir als Historiker, die wir im Frieden und in Freiheit aufwachsen durften, dankbar, dass Winston Churchill auch für die Freiheit unseres Landes gekämpft hat. Deshalb wollen wir ihn ehren.

Doch es geht uns nicht nur um das Gedenken an die Vergangenheit. Die Frage, die im Zentrum der Veranstaltungsreihe «Churchill in Zürich» steht, lautet: Was ist aus Winston Churchills Vision geworden? Wo hat sich Europa hin entwickelt – und wohin sollte es sich weiterentwickeln?

Für die Erörterung dieser unserer Meinung nach für uns alle zentralen Fragen wollen wir einerseits Diskussions-Plattformen für erfahrene Führungskräfte aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft bieten und andererseits solche für die Führungskräfte von morgen schaffen: junge Frauen und Männer aus ganz Europa, die wir im Rahmen der ersten «European Future Leaders Conference» nach Zürich einladen. Denn wenn wir vom Europa der Zukunft sprechen, so ist dies in erster Linie ihr Europa.

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